Zahlreiche Menschen "haben Rücken". Rückenschmerzen zählen zu der häufigsten Volksleiden. Kleine falsche Bewegungen und chronische Fehlhaltungen können große Schmerzen auslösen. Meist vermutet der Patient diese gar nicht in Zusammenhang mit den Zähnen und der Wirbelsäule. Nicht selten sind die Zähne aber Verursacher von Beschwerden im Halswirbel und speziell dem Atlas. In der zahnmedizinischen Fachsprache werden diese schmerzhaften Ungleichgewichte CMD (Craniomandibuläre Dysfunktion) genannt. Dies bedeutet, dass der Schädel (Cranium) und der Unterkiefer (Mandibular) aus dem Lot geraten sind.
Zähne und Rückenschmerzen: Wie passt das zusammen?
Viele Patienten gehen davon aus, dass ihre Rückenschmerzen von der Wirbelsäule kommen. Viel häufiger sind jedoch die Zähne die Übeltäter oder ein gestörter Kaumechanismus macht Probleme. Ein harmonischer Biss ist wichtig für ein reibungsloses Zusammenspiel von Ober- und Unterkiefer und schützt vor Dysbalancen. Der Zahnarzt kann spezielle Funktionstests durchführen, um den Beschwerden auf den Grund zu gehen und eine eventuelle CMD zu diagnostizieren
Liegt ein ungleicher Biss, eine Zahnfehlstellung, eine Zahnverschiebung, schlechtsitzender Zahnersatz oder eine nicht richtig passende Zahnfüllung vor, können daraus Rückenschmerzen entstehen. Wenn der Patient versucht, gegenzulenken, zum Beispiel beim Zubeißen, hat dies häufig einen negativen Effekt auf den ganzen Körper.
Kiefergelenk und Wirbelsäule: Welche Interaktionen finden da statt?
Sie stehen in einer engen Beziehung zueinander. Der Kiefer ist in ständiger Bewegung. Nicht nur beim Essen wird er beansprucht, sondern auch beim Sprechen. Darüber hinaus trägt Stress zu einer veränderten Kieferbelastung bei. Zu starker innerlicher Druck und nicht verarbeitete emotionale Faktoren führen dazu, dass die Zähne zusammengebissen werden. Die Kiefermuskeln und Kiefergelenke geraten in eine Dauerbelastung und verhärten. Dies kann sich bis auf den Nacken- und Schulterbereich ausdehnen. Auch wenn der Patient physischen Anstrengungen ausgesetzt ist, ist der Kiefer beteiligt. Daraus resultierende Schonhaltungen können den Rücken und den gesamten Zahnhalteapparat in eine Schieflage bringen.
Symptome von CMD sind:
- Zähneknirschen (Bruxismus)
- Zähnepressen
- Schmerzende Kiefergelenke
- Zahnschmerzen
- Knackende Kiefergelenke beim Kauvorgang
- Probleme den Mund zu öffnen
- kein harmonischer Biss
- Tinnitus
- Migräne
- Schwindel
- Sehstörungen
Es ist wichtig, das Problem an der Wurzel zu packen und die individuelle Therapie für den Patienten auszuwählen, damit Folgeerkrankungen vermieden werden. Die richtige Behandlung kann den Patienten im wahrsten Sinne des Wortes "aufrichten"! Ständiges Zähnepressen führt sukzessive zu Fehlfunktionen und Fehlstellungen der Gelenke. Wer unter Dauerstrom steht, sollte also unbedingt runterfahren und zur Ruhe kommen.
Was kann ich selbst bei Funktionsstörungen der Kiefergelenke tun?
Die Beschwerden lassen sich therapiebegleitend eindämmen und reduzieren. Hier ist die Mitarbeit und Eigenverantwortung des Patienten gefragt.
Lindernde Maßnahmen sind:
- Übungen, die den Rücken kräftigen
- Ausgleichssport
- Spazierengehen in der Natur
- Thermoanwendungen
- alternativ: Kältetherapie
- das "Hamsterrad" anhalten
- Entspannungsverfahren (Autogenes Training, Meditation)
- Kiefergymnastik
- Schonen von Zähnen und Kiefer
- Zeit nehmen für ein Hobby
- dem Freizeitstress und der andauernden Erreichbarkeit Adieu sagen
- Digital Detoxing
- Achtsamkeitstraining
- Work-Life-Balance
- kleine Auszeiten täglich einbauen
- Rituale schaffen
- mehr & Quality-Time
- "Freundes"-Liste entschlacken
- negative Einflüsse reduzieren
- Reizüberflutung meiden
- weniger Medien konsumieren
- antientzündlich ernähren
- Cortisol-Spiegel verringern
Während akuter Schmerzepisoden sollten die Kiefermuskulatur und der Nacken entlastet werden. In dieser Zeit ist es besser, auf sehr feste Nahrungsmittel wir Nüsse, hartes Brot oder das Kauen von Rohkost zu verzichten. Der gesamte Kauapparat wird sonst zusätzlich strapaziert, was sich wiederum auf den Rücken ungünstig auswirkt.
Schmerz lass nach! Wie hilft der Zahnarzt?
Wer unter anhaltenden Schmerzen im Mund in Kombination mit Verspannungen im Rücken leidet, hat meist bereits einen Ärztemarathon hinter sich, bevor er einen Termin beim Zahnarzt oder dem Kieferorthopäden macht, um endlich die Ursache zu finden. Die Dysfunktion macht allerdings unbehandelt auf Dauer so große Probleme, dass die kieferorthopädische Abklärung unausweichlich ist.
Anhand einer genauen Untersuchung inklusive Abtasten der Kiefergelenke in der Zahnarztpraxis wird herausgefunden, was die Ursachen für die Rückenschmerzen sind. In vielen Fällen ist der Mundraum der Auslöser. Wenn dort am Ablauf etwas hakt und eine Fehlstellung vorliegt, gerät das ganze System auseinander. Es verkrampft, und Verspannungen im Kiefer sind die Folge.
Aus diesem Grund werden die Patienten ganzheitlich betrachtet und die Beschwerden detailliert analysiert. Dazu gehört auch eine umfassende Anamnese neben digitalen Verfahren und Funktionstests. Wenn die Diagnose gesichert ist, wird die abgestimmte korrigierende Behandlung eingeleitet. Hier hat sich in vielen Fällen die Schienen-Therapie bewährt. Eine schonende Methode, die den Betroffenen im Alltag kaum einschränkt. Dank dieser individuell auf den Status von Wirbelsäule und Zähnen abgestimmte Maßnahme, kann häufig Beschwerdefreiheit oder zumindest eine deutliche Reduktion der Schmerzen inklusive einer höheren Bewegungsfreiheit des Körpers erreicht werden.
Die besten Ergebnisse werden in Kooperation mit Kieferorthopäden, Orthopäden und Physiotherapeuten erzielt. Manchmal ist es auch nötig, dass ein Psychologe hinzugezogen wird, um die Blockaden auf seelischer Ebene ebenfalls zu beheben und so psychosomatisch zu intervenieren. Die übertrainierte Kaumuskulatur muss gelockert werden, in einigen Fällen ist dafür auch die Verordnung eines Muskelrelaxans notwendig.
Meist hat der an CMD Erkrankte innerlich "zugemacht" und ist daher ebenso in seiner physischen Mobilität eingeschränkt. Wer innerlich eine schwere Last mit sich herumträgt, verändert auf Dauer auch Gang und Haltung.